Das Projekt «Schweizer-Medizin-Eid» geht zurück auf die Bildung einer kleinen, interprofessionellen – noch informellen – Kommission im Jahre 2014 am «Interdisziplinären Institut für Ethik im Gesundheitswesen» der Stiftung Dialog Ethik in Zürich.
Die Installierung dieser neuen Kommission schloss an verschiedenste Engagements des Instituts Dialog Ethik für bestmögliches Entscheiden und Handeln im Gesundheits- und Sozialwesen an. So publizierte das Institut im Vorfeld der Errichtung der Eidkommission zwei Manifeste für eine faire Leistungs- und Mittelverteilung im Gesundheitswesen und war massgeblich an der Gründung und an den Aktivitäten des Swiss Medical Board beteiligt.
Eide hatten lange Zeit die Reputation, antiquiert zu sein. Abgesehen von Eidablegungen auf eine jeweilige Landesverfassung waren sie aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Diese Feststellung trifft auf die bestehenden Eide für Ärztinnen und Ärzte zwar nicht ganz zu, aber auch sie fristeten ein eher marginalisiertes Dasein: Der Eid des Hippokrates – der älteste und bekannteste Medizin-Eid, aber in erheblichen Bestandteilen veraltet – wurde nur noch in seltenen Fällen abgelegt. Das Genfer Ärztegelöbnis des Weltärztebundes, das aus dem Jahre 1948 stammt, wurde bei etlichen Gelegenheiten geringfügig revidiert und redaktionell überarbeitet. Die Generalversammlung im Jahre 2017 in Chicago fügte die «Patientenautonomie» in den Eid ein. Weniger bekannt ist eine Charta aus dem Jahre 1999: «Medical Professionalism in the New Millenium: A Physician Charter». Angesichts einer zunehmenden Verrechtlichung des Berufs waren Medizin-Eide generell in den Hintergrund gerückt. Das Ethos des Ärzte- und Ärztinnenberufs schien in den Standesrichtlinien gut aufgehoben.
Die Banken- und Finanzkrise des Jahres 2008 hatte jedoch zur Folge, dass in der Folgezeit über Eidablegungen in diesem Berufssektor intensive Diskussionen stattfanden. Elementare Verhaltensstandards waren offenbar abhandengekommen. Im Bereich der Medizin wurde der ständig wachsende ökonomische Druck zunehmend als eine fundamentale Gefährdung des ärztlichen Ethos empfunden. Mittlerweile häuften sich die Hinweise, dass Eide zur Aufrechterhaltung eines Berufsethos und somit als Verteidigung einer Berufsgruppe gegen berufsfremde Erwartungen gerade in Zeiten einer wachsenden Ökonomisierung eine neue Dringlichkeit bekommen. In den Vorarbeiten zu ihrem gemeinsamen Buch «Sinn und Zukunft des Gesundheitswesens» (Genf/Schulthess 2013) konkretisierte sich für Ruth Baumann-Hölzle und Jean-Pierre Wils eine solche Notwendigkeit. Es enthielt ein «Plädoyer für ein neues Standesethos und einen neuen Medizinereid».
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen des Berufs war die Notwendigkeit entstanden, die wichtigsten Tugenden des Arztberufs – gleichsam seine moralischen Grundsätze – in einer aktualitätstauglichen Verfassung zu reformulieren.
Im Anschluss an diese Publikation wurde die bereits erwähnte Kommission ins Leben gerufen, die aus Repräsentanten der Medizin, der Ökonomie, der Verwaltung, der Ethik, der Theologie und der Philosophie bestand. Sie nahm ihre Arbeit im Jahre 2014 auf. Im Laufe der Zeit wuchs die Kommission stetig an und feilte in intensiven Diskussionen an den einzelnen Bestandteilen des Eides, nicht zuletzt auch am Namen des Gelöbnisses. Die erste Fassung des neuen Eids wurde dann 2015 in der Schweizerischen Ärztezeitung publiziert.
Erste Vereidigungen fanden im Jahre 2018 statt. Was als eine Graswurzelbewegung startete, hat mittlerweile eine erhebliche Dynamik erhalten, die durch die von der Pandemie seit dem Frühjahr 2020 verursachten Prioritäten zwischenzeitlich zwar gebremst wurde, aber mittlerweile von verschiedenen Fachgesellschaften verstetigt worden ist.
Am 9. September 2022 wurde nun der Verein Schweizer Medizin Eid gegründet, und somit ist der Eid zu einer völlig unabhängigen Bewegung, auch unabhängig von irgendwelchen Institutionen, geworden. Weitere Informationen finden Sie unter: www.schweizer-medizin-eid.ch