Ein Kooperationsprojekt zur Entwicklung von Empfehlungen für Praxisinstrumente und -konzepte in der medizinischen Versorgung zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, ihren Stellvertreterpersonen und Gesundheitsfachpersonen
Angaben zum Projekt
Gemeinsam mit Betreuungsinstitutionen, Spitälern und Förderstiftungen hat die Stiftung Dialog Ethik von August 2020 bis Februar 2023 ein umfangreiches Forschungsprojekt mit einem Mixed-Methods-Ansatz durchgeführt. Ergebnis des Projektes sind unter anderem Vorschläge für 14 Praxisinstrumente und -konzepte. Diese können in Spitälern, Betreuungsinstitutionen und Arztpraxen umgesetzt werden und sollen Gesundheitsfachpersonen, Betroffene und ihre Angehörigen unterstützen.
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Partnerschaft
Die «Stiftung Dialog Ethik» hat von August 2020 bis Februar 2023 zusammen mit der «Schweizerischen Stiftung für das cerebral gelähmte Kind», der «Stiftung Wagerenhof – Raum für Menschen mit Beeinträchtigung» und der «Stiftung Wohnraum für jüngere Behinderte» (Stiftung W.F.J.B.) ein praxisorientiertes Forschungsprojekt unter dem Titel «Medizinische Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen mit geistiger und beziehungsweise oder körperlicher Behinderung im Akutspital und in der ambulanten Versorgung» lanciert. Weitere Kooperationspartner waren das «Luzerner Kantonsspital» (LUKS), das «Kantonsspital Aarau» (KSA) und der «Blinden-Fürsorge-Verein Innerschweiz» (BFVI). Im Rahmen des Kooperationsprojektes wurde die Perspektive von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, ihren Angehörigen und den sie betreuenden Personen im Wohn- und Lebensumfeld sowie dem Personal in Behinderteneinrichtungen, dem Spitalpersonal und den Gesundheitsfachpersonen im ambulanten Bereich untersucht. Ziel des Projektes war die Entwicklung von Praxisinstrumenten und -konzepten, die in Spitälern wie auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und in therapeutischen Praxen eingesetzt und angewandt werden können.
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Hintergrund
Das Projekt geht zurück auf Erfahrungen in Spitälern bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen. Die Herausforderungen, die sich für diese Patientengruppe im Spitalalltag stellen, wurden im Rahmen des Ethik-Forums LUKS am Luzerner Kantonsspital unter anderem von der Pflegeexpertin Pia Pfenniger thematisiert. Die Leitung vom Ethik-Forum LUKS, namentlich Chefarzt Dr. med. Andreas Fischer und Pflegeexpertin Katrin Bachmann, hatten daraufhin die Idee zu einem Forschungsprojekt zur genaueren Untersuchung der Thematik. Im Rahmen einer ersten Recherche wurde der Bedarf für ein solches Projekt für das Akutspital und für den ambulanten Versorgungsbereich deutlich: Bezogen auf den ambulanten Bereich, aber auch bezogen auf die Innenperspektive von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen, zeigte sich, dass für die Schweiz Forschungslücken bestehen. Gleichzeitig bestehen etablierte Programme zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen etwa an den Universitätsspitälern in Basel, Genf und Lausanne, die als «Best Practice»-Beispiele dienen können. Das im August 2020 gestartete praxisorientierte Forschungsprojekt wollte in diesem Sinne einen Beitrag zu dem sich etablierenden Feld der «Inklusiven Medizin» leisten.
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Methodik
Das praxisorientierte Forschungsprojekt hat über einen Mixed-Methods-Ansatz in sechs einzelnen Arbeitspaketen die Sichtweise von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, ihren Angehörigen und Stellvertreterpersonen, von Gesundheitsfachpersonen in Spitälern, in Arzt- und therapeutischen Praxen sowie von Mitarbeitenden in Betreuungsinstitutionen untersucht. In den ersten beiden Projektteilen wurde über Tiefeninterviews die Perspektive von Menschen mit einer körperlichen Behinderung und von Angehörigen von Menschen mit einer geistigen Behinderung untersucht. Im dritten Projektteil wurde über zwei Fokusgruppendiskussionen die Perspektive von Berufsbeiständen näher betrachtet. Der vierte Projektteil erforschte über zwei Fokusgruppendiskussionen und eine ergänzende Online-Befragung die Perspektive von Mitarbeitenden in drei Betreuungsinstitutionen. Schliesslich widmete sich der fünfte Projektteil der Perspektive von Gesundheitsfachpersonen in der ambulanten medizinischen Versorgung. Dazu wurden eine Fokusgruppendiskussion mit Teilnehmenden aus Ärzteschaft und Therapie sowie eine Online-Befragung mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Die Perspektive des Spitalpersonals wurde im sechsten Projektteil über Fokusgruppendiskussionen und eine Online-Befragung in zwei Kantonsspitälern erhoben. Die Ergebnisse aus den verschiedenen Projektteilen sind nach einer ethischen Bewertung und wissenschaftlichen Einordnung – neben der Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wissens aus der Fachliteratur – in die Entwicklung von Praxisinstrumenten und -konzepten eingeflossen.
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Ergebnisse
Im Projekt ging es um die Untersuchung der Anforderungen an die Entwicklung von Praxisinstrumenten und -konzepten für den ambulanten und stationären Versorgungsbereich, um Menschen mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung bedarfsgerecht medizinisch zu behandeln, zu pflegen und zu betreuen. Als Ergebnis wurden Vorschläge für insgesamt 14 Begleitungs-, Schulungs- und Unterstützungsinstrumente und -konzepte erarbeitet. Die Vorschläge reichen von Fort- und Weiterbildungen von Gesundheitsfachpersonen, einer Ansprechperson für Anliegen von Menschen mit Behinderungen im Spital oder im ambulanten Bereich über Rundtischgespräche und ethische Fallbesprechungen bis hin zu einer Informationsplattform sowie einer Betreuungs-, Pflege und Behandlungsvereinbarung für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Mithilfe dieser und weiterer Instrumente und Konzepte kann der Prozess der Entscheidungsfindung ethisch und rechtlich besser fundiert, die Therapieplanung von Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf patientengerechter gestaltet und gleichzeitig Belastungen und Unsicherheiten beim Personal im stationären und ambulanten Bereich reduziert werden. Darüber hinaus sollen die Instrumente und Konzepte alle Beteiligten befähigen, die einzelnen Patientinnen und Patienten angemessen behandeln, pflegen und betreuen zu können. Die Projektergebnisse wurden am «Ethik-Foren-Treffen 2022» vom 24. November 2022 in Thalwil (ZH) präsentiert und in Teilen in der Ausgabe Nr. 154 (Dezember 2022) der Zeitschrift «Thema im Fokus» publiziert. Sie liegen ausserdem in Form eines pdf Projektberichts unter dem Titel «Inklusive Medizin» (2.37 MB) vor.
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Finanzierung
Finanziert wurde das Projekt durch die «Schweizerische Stiftung für das cerebral gelähmte Kind» (Stiftung Cerebral), die Schweizerische Bundesagentur «Innosuisse», das «Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen» (EBGB), den «Swisslos-Lotteriefonds für gemeinnützige Zwecke im Kanton Luzern» und die «U.W. Linsi-Stiftung» (Linsi Foundation). Das Projekt wurde im Rahmen einer Vorstudie entwickelt, die durch den «Verein SIMOVITA» finanziert wurde. Für die Finanzierung des Projektes und der Vorstudie wie auch für wichtige inhaltliche Inputs vonseiten der Bundesbehörden und Stiftungen möchten wir herzlich danken.
Publikationen und Angebote zum Projekt
Die Ergebnisse des Projekts liegen in Form mehrerer interner Forschungsberichte, eines öffentlich zugänglichen Abschlussberichts, wissenschaftlicher Publikationen sowie als Präsentationen vor. Die entsprechenden Dokumente können über nachfolgende Links heruntergeladen oder bezogen werden.
pdf Download (2.37 MB) des Abschlussberichts zum Projekt in der 1. Auflage vom 16. März 2023
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Projektbericht «Inklusive Medizin»
Den öffentlichen Abschlussbericht zum Projekt in der 1. Auflage vom 16. März 2023 unter dem Titel «Inklusive Medizin» kann man pdf hier (2.37 MB) als PDF-Datei herunterladen.
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Wissenschaftliche Publikationen zum Projekt
Zu den Projektergebnissen werden kontinuierlich wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Folgende Publikationen liegen bereits vor:
- Daniel Gregorowius, Patrizia Kalbermatten-Casarotti und Ruth Baumann-Hölzle (2022): Im Fokus: Handicap Zeit und Information. In: Thema im Fokus (TiF), 154/2022: S. 4–11.
- Daniel Gregorowius und Ruth Baumann-Hölzle (2023): Moralische Belastungen im Krankenhaus bei Pflege und Betreuung von Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung sowie kommunikativer Einschränkung. In: Annette Riedel, Sonja Lehmeyer und Magdalene Goldbach (2023): Moralische Belastung von Pflegefachpersonen. Hintergründe – Interventionen – Strategien. Springer; Berlin: S. 177–200.
- Ruth Baumann-Hölzle und Daniel Gregorowius (2023): Handlungsbedarf im Gesundheitswesen. In: Journal – Das Magazin von Parkinson Schweiz, 03/2023: S. 8–10.
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Medienberichte zum Projekt
Im März 2020 erschien in der Zeitschrift «Merci», dem Informationsblatt der «Schweizerischen Stiftung für das cerebral gelähmte Kind», in Heft 1/2020 ein pdf zweiseitiges Interview (Seite 8 und 9) (1.50 MB) zum Start des Projektes.
Das Eidgenössische Departement des Inneren (EDI) berichtet im Mai 2023 ausführlich in Deutsch und Französisch über das Projekt zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen im ambulanten und stationären Bereich.
Das Gesundheits- und Sozialdepartement (GSD) des Kantons Luzern erwähnt das über den Lotteriefonds des Kantons mitfinanzierte Projekt auf seiner Website.
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Ethikzeitschrift «Thema im Fokus»
Die Ausgabe Nr. 154 (Dezember 2022) unserer Zeitschrift Thema im Fokus ist dem Thema «Eile mit Weile – Pflege von Menschen mit geistiger und körperlicher Einschränkung» gewidmet.
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Ethik-Foren-Treffen 2022
Die Ergebnisse des Projektes wurden am «Ethik-Foren-Treffen 2022» vom 24. November 2022 in Thalwil (ZH) präsentiert. Die Präsentationen kann man hier einsehen.
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Medienmitteilung zum Projekt
Die Medienmitteilung vom 16. März 2023 kann man pdf hier (195 KB) als PDF-Datei herunterladen.
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Kommentar zum Projekt
Den Kommentar «Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der medizinischen Versorgung» von Dr. sc. nat. Daniel Gregorowius kann man pdf hier (100 KB) als PDF-Datei herunterladen.
Bildungsangebote zum Projekt
Im Rahmen des Projektes wurden Fortbildungskurse und Seminare für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt. Diese sind Teil sich ergänzender Bildungsangebote zu medizinischen Fragen für Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, die nicht aufeinander aufbauen und unabhängig voneinander besucht werden können. Die Bildungsangebote zum Thema «Für mehr Gesundheit und Teilhabe» finden Sie hier: